Neuaufstellung ÖPNV-Bedarfsplan
Anke Berndgen hat in einer Bietergemeinschaft ein großes und spannendes Projekt gewonnen. Die Leiterin der Abteilung Konzeptionelle Verkehrsplanung der spiekermann ingenieure beantwortet Fragen zu den nun anstehenden Aufgaben. Schauen Sie mit hinter die Kulissen der Planung von Bussen und Bahnen und die Zusammenhänge von Verkehrsmodell, Bedarfsplan und tatsächlichen Maßnahmen.
Im Rahmen der Mobilitätswende ist der öffentliche Personennahverkehr insgesamt ein ständiges Thema: Baustellen, Verspätungen, Zugausfälle sind immer ein gutes Thema für Smalltalk. spiekermann kennt mit der langjährigen Erfahrung im Bereich Mobilität die Hintergründe und arbeitet auch seit vielen Jahren an den verschiedenen Schritten mit: Wie bei diesem neu gewonnenen Projekt „Aufstellung des ÖPNV-Bedarfsplan des Landes Nordrhein-Westfalen“.
Erst einmal herzlichen Glückwunsch zum gewonnenen Projekt, Frau Berndgen! Fangen wir bei der Frage an: Was ist ein ÖPNV-Bedarfsplan?
Anke Berndgen: Der ÖPNV-Bedarfsplan ist ein Instrument des Landes, mit dem die geplanten Maßnahmen in die Infrastruktur des öffentlichen Nahverkehrs in den nächsten zehn bis fünfzehn Jahren festgelegt und priorisiert werden. Ziel ist es, eine umfassende Übersicht über alle Maßnahmen zu erstellen, zu denen das Landesministerium in den nächsten Jahren eine Förderung der Maßnahme aussprechen kann.
Der Projektzeitraum beginnt im November und wird bis Mitte 2027 dauern. Wir stellen sicher, dass jede Maßnahme sinnvoll priorisiert und bewertet ist, sodass die verfügbaren Mittel effizient eingesetzt werden können.
Die Kommunen melden ihre Projekte an, wir analysieren und bewerten diese und das Land entscheidet, welche dieser Maßnahmen für die ÖPNV-Infrastruktur ausgebaut werden soll. Das ist mit dem deutschlandweiten Bundesverkehrswegeplan gut vergleichbar. So werden auch die Ressourcen der Planung auf die relevanten Projekte fokussiert.
Der Plan ist ein wichtiger Schritt im Planungs- und Auswahlprozess, um Fördermittel gezielt zu verteilen und sicherzustellen, dass sie für die im Sinne der Verkehrsstrategie richtigen Projekte eingesetzt werden. Der Bedarfsplan ist die Grundlage für die Kommunen, auf der sie Fördergelder für ihre Projekte beantragen können. Projekte müssen im Bedarfsplan stehen, um überhaupt eine Chance auf öffentliche Förderung zu haben.
Und diese Maßnahmen werden dann umgesetzt?
Anke Berndgen: Das muss nicht zwingend sein, denn man muss natürlich nach den überhaupt verfügbaren Mitteln schauen. Zudem sind die Vorhaben weiter durchzuplanen. Der ÖPNV-Bedarfsplan bietet aber auch Prioritäten für die Entscheidungen, also eine Bewertung im Sinne von was ist sehr wichtig, was ist weniger wichtig.
Die Kommunen konnten in den letzten Monaten ihre geplanten Maßnahmen anmelden. Diese Maßnahmen werden jetzt nach einem einheitlichen Verfahren in Anlehnung an die standardisierte Bewertung (siehe Infobox) bewertet.
Wir prüfen dafür gemeinsam mit unseren Projektpartnern die Plausibilität und Relevanz jeder einzelnen Maßnahme: beispielsweise ob die angegebenen Baukosten plausibel zum Vorhaben oder Bedarfsplan relevant sind. Das sind fast 500 zu bewertende Einreichungen Wie detailliert und umfangreich die Kommunen Informationen angegeben haben, prüfen wir jetzt. Aus diesen Informationen werden im nächsten Schritt die Maßnahmen ggf. sogar mehrere aus einer Einreichung abgeleitet, die im Zuge der Bearbeitung überprüft und ggf. in den ÖPNV-Bedarfsplan aufgenommen werden.
Aus den Maßnahmen des ÖPNV-Bedarfsplans werden Investitionspläne jeweils für einen Zeitraum von fünf Jahren festgelegt, um die mögliche Finanzierung zu sichern.
Die Basis für den Bedarfsplan ist ein Landesverkehrsmodell? Was ist das genau?
In einem Verkehrsmodell, das auch im Rahmen von anderen Projekten genutzt wird, wird die verkehrliche Nachfrage in verschiedenen Verkehrsnetzen abgebildet und ermöglicht die Wirkung von Maßnahmen auf die Verkehrsnachfrage bzw. auf den Verkehrsfluss darzustellen: öffentlicher Verkehr, Straßenverkehr, Wirkungen von Baumaßnahmen oder Veränderungen werden so abgebildet. Daraus berechnen sich zum Beispiel die Nutzenaspekte, die im Rahmen einer standardisierten Bewertung anzusetzen sind.
Das Land erstellt die ÖPNV-Bedarfspläne schon seit Jahrzehnten und hat mit dem aktuellen Verkehrsmodell wieder eine gute Basis für die Planbarkeit in den nächsten Jahren geschaffen.
Die 500 eingereichten Maßnahmen werden Sie aber sicherlich nicht manuell bewerten, oder?
Anke Berndgen: Nein, das können wir in der geplanten Zeit nicht leisten. Wir bereiten die Maßnahmen erstmal für die weitere Verarbeitung vor. Für jede Maßnahme, die die Kommunen eingereicht haben, gibt es mindestens eine Zeile: „Das Projekt X würden wir gerne umsetzen.“ Das kann eine Stadtbahn Maßnahme sein, die um drei Haltestellen innerstädtisch verlängert werden soll. Das kann aber auch eine Reaktivierung einer ehemaligen S-Bahnstrecke sein, zu der es bereits eine geprüfte Machbarkeitsstudie gibt. Da hätten wir ein ganzes Paket an Informationen zu prüfen.
Wir werden die Maßnahmen beispielsweise gemäß ihren Rahmenbedingungen so zusammenstellen, dass die weiteren Schritte automatisiert bearbeitet werden können.
Gemeinsam mit unserem Projektpartnern erarbeiten wir für jede einzelne angemeldete Maßnahme eine Art Steckbrief: Das Projekt wird in seinen Grundstrukturen erklärt, wo es räumlich verortet ist, was die verkehrliche Wirkung sein werden und wie das erwartete Ergebnis bewertet wird.
Die Digitalisierung wird uns helfen, die große Datenmenge effizient zu verwalten. Alle Daten, die uns die Kommunen melden, kommen in eine zentrale Datenbank, und wir arbeiten zum Beispiel mit georeferenzierten Datensätzen. So können die Kommunen, Kreise und Regierungsbezirke genau sehen, wo sich die Projekte in ihrem Bereich befinden und welche verkehrlichen Auswirkungen zu erwarten sind.
Wie bei jeder Bewertung gibt es dafür einen Grenzwert, der entscheidet, ob das Projekt in den Bedarfsplan aufgenommen und wie es priorisiert wird. Der Nutzen sollte immer größer sein als die Kosten – der Grenzwert bildet dieses Verhältnis ab und beträgt mindestens 1,0. Wenn die Maßnahme einen Wert von 2 oder sogar 5 erreicht, ist es ein viel besseres Projekt und sollte eher gefördert und umgesetzt werden, als ein weniger hoch bewertetes. Diese Maßnahmen werden in den eigentlichen ÖPNV-Bedarfsplan aufgenommen.
Viel Erfolg bei der gemeinsamen Projektarbeit und vielen Dank für das Gespräch, Frau Berndgen!
Quelle Startbild: Landesverkehrsmodell 2035 | umwelt.nrw.de
Zum Projekt
- Auftraggeber: Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen
- Voraussichtliche Dauer: November 2024 bis Mitte 2027
- Grundlegende Bearbeitungsschritte von spiekermann ingenieure
- Übernahme und Sichtung der Bedarfsplananmeldungen
- Entwicklung und Abstimmung der genauen Bearbeitungsschritte und Aussagen/Daten für die nachfolgenden Leistungsbausteine Bewertung und Strategische Umweltplanung
- Plausibilisierung der Maßnahmenanmeldungen
- Maßnahmenaufbereitung von plausibilisierten Maßnahmenanmeldungen
Der aktuelle ÖPNV-Bedarfsplan
Der bestehende ÖPNV-Bedarfsplan des Landes Nordrhein-Westfalen stammt aus dem Jahr 2006 und fußt, wie der Landesstraßenbedarfsplan, auf der integrierten Gesamtverkehrsplanung Nordrhein-Westfalen (IGVP NRW). Die Neuaufstellung des ÖPNV-Bedarfsplans, gemäß § 7 Absatz 1 des Gesetzes über den öffentlichen Personennahverkehr in Nordrhein-Westfalen (ÖPNVG NRW), wird derzeit – mit Beteiligung der spiekermann – vorbereitet. Die von Kommunen anzumeldende Maßnahmen müssen ein Volumen von mehr als 5 Mio. EUR haben.
Link zur Seite des Ministeriums Bedarfsplanung für die Verkehrsinfrastruktur des Landes | umwelt.nrw.de