Beratung zur Zukunft der Mobilität – Vortrag zum aktuellen Projekt auf dem VRN-Seilbahntag in Mannheim
Wie kann die Mobilitätswende erfolgreich umgesetzt werden? Eine der Fragen, für die auch beim VRN-Seilbahntag in Mannheim nach Antworten gesucht wurde. Anke Berndgen, Abteilungsleiterin Konzeptionelle Verkehrsplanung, hatte die Gelegenheit, aus ihrer langen Projekterfahrung und dem aktuell für den VRN bearbeiteten Projekt zu berichten, in dem die Machbarkeit und das Potenzial von Seilbahnverbindungen im Gestaltungsbereich des Verkehrsverbunds Rhein-Neckar geprüft wurde.
Eine von insgesamt vier im Projekt konkreter untersuchten Verbindungen (Basis: (c) Open StreetMap)
Seit mehr als 50 Jahren ist die Beratung zur Zukunft der Mobilität eine der Kernleistungen der spiekermann ingenieure. Erste Erfahrungen wurden in überregional bekannten Projekten wie beispielsweise der Wuppertaler Schwebebahn schon seit den 1990er gesammelt. Das Thema urbane Seilbahnen ist im Zuge der Diskussionen zur Mobilitätswende in den letzten Jahren hochaktuell geworden.
Eine gerade Strecke zwischen zwei Punkten verbinden
Was sich ein bisschen banal anhört ist in der Praxis eine komplexe Aufgabe: Seilbahnen sind Punkt-zu-Punkt-Verbindungen. Es muss einen geraden Weg zwischen den Stationen geben. Richtungsänderungen sind nur in Stationen mit entsprechendem Aufwand möglich. Vorteilhaft ist, dass sie Verbindungen unabhängig von vorhandenen Infrastrukturen ermöglichen und auch größere Höhenunterschiede überwinden.
Urbane Seilbahnen – Pendelbahnen oder Umlaufbahnen
Welche Formen stehen zur Verfügung? Bei Pendelbahnen fahren Kabinen an einem oder mehreren Tragseilen hängend zwischen zwei Station hin und her. Sie haben einen geringen betrieblichen Aufwand – automatisiert oder mit einer Aufsichtsperson betrieblich möglich – und können im Taktbetrieb laufen. Dabei können in diesem aktuellen Beispiel 2.400 Fahrgäste pro Stunde und Richtung mit einer Kabinengröße von 15 bis 230 Fahrgästen bewegt werden.
Umlaufbahnen funktionieren wie Skilifte: Die Kabinen laufen im Umlauf in nur eine Fahrtrichtung zwischen den Stationen und verbinden sie damit parallel in beide Richtungen. Umlaufbahnen sind Stetigförderer und bieten Fahrgästen alle 1 bis 2 Minuten eine Fahrtmöglichkeit an. Umlaufbahnen ermöglichen eine hohe Fahrgastzahl pro Stunde. Mit immer vorhandenen Einstiegsmöglichkeiten können bei Mehrseilumlaufbahnen mit Kabinengrößen von 10 bis 35 Fahrgästen bis zu 6.000 Fahrgäste pro Stunde und Richtung transportiert werden. Sie können auch mehrere Stationen miteinander verbinden. Der betriebliche Aufwand ist deutlich höher als bei Pendelbahnen.
Die Auswahl des Seilbahnsystems hängt von verschiedenen Faktoren ab: der notwendigen Förderkapazität in der Spitzenstunde, der Anzahl der Stationen, Nachfragestruktur, Anforderungen im Trassenkorridor, technische Rahmenbedingungen wie Standorte für Stationen und Stützen sowie Abstandsregeln, aber auch rechtliche Faktoren wie Eigentumsverhältnisse, notwendige Überfliegung von Grundstücken etc. müssen untersucht und geklärt werden. Der zeitliche Horizont sowie der Natur- und Denkmalschutz gehen ebenfalls in die Bewertung ein. Gegenüber klassischen ÖPNV-Verkehrsmitteln mit hoher Kapazitätsangeboten ist die Bauzeit für eine Seilbahn sehr gering.
Die wichtigsten Fragestellungen für ein Seilbahn Projekt
Am Beginn steht die Suche nach potenziell möglichen Standorten für Stationen und Seilbahnführung zwischen den Standorten. Dabei sollte das Überfliegung von Privatgrundstücken vermieden werden, denn die meisten Menschen haben zum Teil Befürchtungen, dass ihre Privatsphäre leidet. Deshalb sollte die Trassenführung möglichst über öffentlichen Raum und Grundstücke gehen oder die Kabinen werden mit anpassungsfähigem Fensterglas (Milchglas bei Überfliegen von privatem Raum) ausgestattet. Hier gibt es viele Lösungsmöglichkeiten, die teilweise mit viel Aufwand auch rechtssicher zu regeln sind.
Die Nachfrage wird anhand der Modal-Split-Veränderung nach der Berechnungsformel der Standardisierten Bewertung mit dem Verkehrsmodell ermittelt. Berechnete Verkehrsbelastungen im Spitzenbereich definieren die Dimensionierung der Seilbahn. Eine grobe Kostenschätzung auf Basis von Erfahrungswerten sowie die Bewertung der Möglichkeiten schließt sich an (gesamtwirtschaftliche Rentabilität).
Die Projekt-Vorgeschichte
Seilbahnen als urbane Transportangebote sind im VRN seit einigen Jahren in der Diskussion: Bereits 2015/2016 wurde ein rheinüberschreitendes Angebot als mögliche Alternative zum motorisierten Individualverkehr (MIV) diskutiert. Die Erkenntnisse aus der damaligen Untersuchung: Es gibt keine spürbare Entlastung im MIV. Im Gegenteil wurden Verlagerungen aus dem öffentlichen Verkehr (ÖV) in die Seilbahn befürchtet. Für die Verbindung weniger Punkte wäre eine ganztägig hohe Nachfrage notwendig gewesen.
2021 brachte der VRN dann eine Konzeptstudie auf den Weg, die jetzt bis 2023 bearbeitet wurde. Grundvoraussetzung für das Projekt war die Integration der Seilbahn in das bestehende ÖPNV-System.
In zwei Stufen zur Bewertung
Für die erste Stufe der aktuellen Untersuchung wurden in einem iterativen Vorgehen mögliche Korridore für einen Seilbahnverbindung identifiziert und einer ersten Bewertung unterzogen. Hierbei wurden vier Korridore für eine detaillierte Betrachtung mit einer ersten Berechnung der Verkehrsnachfrage ausgewählt. Nach Sichtung der ersten Ergebnisse wurden konkrete Seilbahnverbindungen entwickelt, die dann auch hinsichtlich der technischen Umsetzung geprüft wurden.
Abbildung potentiell denkbare Seilbahnabschnitte (Basis: (c) Open StreetMap)
In der zweiten Stufe erfolgte eine Detailbetrachtung für vier von insgesamt 20 möglichen Korridoren. Die Seilbahnführung (1,7 bis 3,3 km), potenzielle Standorte von (zwei bis fünf) Stationen wurden untersucht. Die Nachfrage wurde mittels Verkehrsmodellrechnung prognostiziert. So konnte die Dimensionierung der Seilbahnausführung vorgeschlagen (40 bis 630 Fahrgäste pro Stunde) und die Baukosten (von rd. 10 bis 50 Mio. EUR) geschätzt werden (ohne Planungskosten, Verfahrenskosten und Einschätzung der Realisierungschancen).
Wie geht es nun weiter?
Die vier detailliert untersuchten Korridore bieten die Möglichkeiten für eine Realisierung einer Seilbahn im urbanen Raum. Während die Heidelberger Verbindung weiter untersucht wird, sind für die anderen Verbindungen noch konkrete Entwicklungen und Entscheidungen abzuwarten. Wir sind gespannt, wie es mit den möglichen Verbindungen weitergeht.